Mein Blick ist vom Vorüberziehn der Tänzer
So müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Mir ist, als gäb es nur die tausend Tänzer
Und hinter tausend Tänzern keine Welt.
Ihr immer gleicher Gang der Schritte
Die sich in immer gleichen Kreisen drehn!
Ihr steter Kampf, die stille Bitte:
Ich möchte auf dem Treppchen stehn!
Da schiebt sich vor meine Brille - zum Glück -
Ein Paar - das tanzt, als wäre es ganz allein,
Als gäb es nur den einen Augenblick
Ich bin entzückt! So soll es sein!
Bei dem Versuch, mich in Wertungsrichter hineinzuversetzen, fiel mir Rilkes Gedicht "Der Panther"* ein. Geht es ihnen so wie dem Panther hinter seinen "Stäben" bzw. seinem Gitter?
Es ist tatsächlich schwer zu erraten, was in ihnen vor sich geht. Sie stehen meist unauffällig und quasi teilnahmslos am Rande der Tanzfläche. Ihrem Pokerface ist kaum zu entnehmen, wohin sie gerade blicken, was sie denken, fühlen. Abgestumpft von immer gleichen oder ähnlichen Tanzfolgen, präsentiert von mehr oder weniger begabten TänzerInnen? Wo bleiben die Lichtblicke, die Sterne?
Während das Publikum mitmacht, klatscht, anfeuert, verharren sie nahezu bewegungslos. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass es sich um hoch qualifizierte aktive oder ehemalige Turniertänzer und Trainer handelt. Hin und wieder verrät - meist bei jüngeren Vertretern - ein Zucken oder Wippen, dass die Musik sie nicht ganz kalt lässt.
Auf die Wertungsrichter kommt es beim Turnier an. Nach außen wirken sie wie festgefroren. Doch innen passiert einiges: In kürzester Zeit bewerten sie jeden einzelnen Tanz jedes Paares nach festgelegten Kriterien – Musik, Balance, Bewegungsablauf und Charakteristik des Tanzes.
Im Gegensatz zu Sportarten mit klar messbaren Ergebnissen wie Tempo oder Weite sind im Tanzsport die meisten Bewertungskriterien relativ subjektiv. Deshalb ist es wichtig, dass immer mehrere Wertungsrichter im Einsatz sind. Verschiedene 'Brillen' tragen dazu bei, Subjektivität zu minimieren und Fairness zu gewährleisten. Jeder versucht, so gut und ehrlich wie möglich zu urteilen – das sagte uns einmal unsere Trainerin, die selbst Wertungsrichterin ist.
Sie werten - und richten. Ihre Wertung beeinflusst auch die Motivation der Tänzer, weiter zu trainieren, um aufzusteigen oder im schlimmsten Fall aufzugeben. Das heißt, sie tragen eine große Verantwortung für die einzelnen Paare und den Tanzsport im Allgemeinen.
Aber sie machen sich dabei nicht nur Freunde.Vor allem wenn die Wertungen sehr unterschiedlich und/oder schlecht ausfallen. Für manche ist das quasi der Beweis dafür, dass die Platzierungen nicht objektiv bzw. gerecht sind. Dann fängt auch das kreative Rechnen an: 'Eine bessere Platzierung vom Wertungsrichter C im Tango, dann wären wir auf dem Treppchen' oder 'ein Kreuz mehr und wir wären in der Endrunde`, also soo schlecht waren wir ja gar nicht ...
Über gute Wertungen hat sich allerdings noch keiner beschwert!
Rilkes "Panther" bei Gutenberg

Gemein ist, einen erst anläcgeln und dann keine Kreuze geben. Ach Tanzen könnte so schön sein...
AntwortenLöschenEine wunderbar treffliche Beschreibung der Wertungsrichter mit viel Tiefgang. Und: Ich freue mich über jedes Lächeln eines Menschen, ob mit oder ohne Kreuzchen.
AntwortenLöschenVielen Dank für die Beurteilung der Wertungsrichter. Das finde ich gut. Ich Werte seit 44 Jahren, und 2025 ist das letzte Jahr. Es war eine Ehre, und ein sehr schöne Zeit.
AntwortenLöschenDer Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
LöschenWir danken!
LöschenLiebe Ulis,
AntwortenLöschenich kann mich den anderen Kommentaren nur anschließen. Und es wäre bestimmt hilfreich, wenn alle Wertungsrichter euern Text lesen würden, also buchstäblich in eure, bzw. Die Schuhe der Tanzenden schlüpfen würden. Noch dazu habt ihr nicht gewertet oder verurteilt, sondern witzig und treffend beschrieben, wie es sich anfühlt, vor den Augen der Wertungsrichter zu tanzen.
Mögen noch möglichst viele von ihnen das lesen!