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Das Tüpfelchen auf dem i !

„Ganz schön, aber … wo bleibt das Lächeln?“ war die Reaktion meiner Schwester auf unser Tanzvideo. Sie hatte Recht. Wir haben uns ganz auf das Tanzen konzentriert, aber das Tüpfelchen auf dem i hat gefehlt: das Lächeln. Unsere Angespanntheit hat uns davon abgehalten.  Wie oft habe ich gestaunt oder war regelrecht irritiert, wie routinierte Tanzpaare, sobald sie auf der Fläche erscheinen, das Lächeln ein- und nach dem Tanzen wieder ausschalten!  Das Lächeln gehört zum Tanzen dazu. Wir verbinden verschiedene Sportarten meist mit einer speziellen Mimik, die mit der Aktion einhergeht. Der Gewichtheber zum Beispiel hat einen zusammengekniffenen Mund, eine gerunzelte Stirn und einen angespannten Kiefer, geblähte Wangen - je nach Anstrengung. Keiner erwartet von ihm, dass er lächelt. Sollte er es doch tun, dann wäre wohl irgendetwas faul … Lächeln beim Tanzen dagegen vermittelt Leichtigkeit, Spaß und eine positive Ausstrahlung. Dem Publikum wird Freude signalisiert.  Wo ist aber...

Wie es begann


 

Die Uli hatte schon öfter mal getanzt. Auch Tanzkurse hatte sie besucht - einmal auch mit einer Annoncen-Bekanntschaft. Der hatte allerdings den Sinn der Übung nicht verstanden; er dachte, dass man beim Tanzen Konversation machen müsse, was natürlich auf Kosten der Bewegung und der Konzentration auf die Schritte ging. Womöglich hatte er aber auch ganz andere Ideen …

Der Uli hatte nach einem traumatischen Erlebnis sein Leben lang einen großen Bogen um das Thema Tanzen gemacht. Während seiner Zeit als Offizier bei der Bundeswehr musste er dienstlich an einem Divisionsball teilnehmen. Er hatte noch nie nur einen Schritt von irgendeinem Tanz gelernt. Man bekam eine Tischdame zugeteilt, und nach den ersten Bewegungen auf der Fläche war sie sehr offensichtlich enttäuscht. Die Etikette sagte, dass man mit jeder Dame am Tisch mindestens einmal tanzen müsse und so blamierte er sich bei allen Damen gründlich. Damals war er zwanzig und hatte dann nie wieder getanzt, bis ….

Nachdem die beiden Ulis sich mit Anfang 50 kennengelernt hatten, lebten sie für vier Jahre eine Fernbeziehung zwischen Füssen und Koblenz. Zusammenziehen war aufgrund der beruflichen Situation nur möglich, wenn die Uli nach Koblenz ziehen würde, was sie Gott sei Dank dann auch tat. Nach Koblenz umgezogen, meinte sie, dass nun auch der Uli etwas tun müsse. Als er freudig zustimmte, forderte sie schlicht und einfach „Tanzen lernen“.

Und so kam es, dass der Uli schließlich mit Ende 50 doch noch das Tanzen lernen sollte. Die beiden Ulis fanden sich in einem Anfängerkurs eines Tanzsport-Vereins wieder, wo sie mit circa einem Dutzend anderen Paaren und mehreren Tanzlehrern die ersten Schritte im Cha Cha  und im langsamen Walzer lernten.

Und genau das taten sie für einige Jahre: Einmal die Woche trafen sie sich im Verein und lernten Schrittfolgen, dann mehr Folgen und schließlich noch mehr Folgen, und das sogar in der Formation. Körper und Armhaltung wurde zwar manchmal erwähnt, spielten aber keine große Rolle. Manchmal, wenn der Tanzlehrer verhindert war, hatten sie  eine Vertretung, und da war es anders. Der Vertreter forderte - er forderte Haltung im Paar und sogar so etwas wie Schwung. Das Ergebnis war, dass einige der Kursteilnehmer nicht erschienen, wenn sie wussten, dass die Vertretungsstunde anstand. Die Ulis ahnten, dass der Vertreter mehr wollte, als Schrittfolgen lehren, dass da vielleicht ein anderes Konzept des Tanzens dahinter stand. Eines der Paare aus der Gruppe wechselte in eine Turniervorbereitungsgruppe und berichtete, dass dort einzelne Bewegungen bis zu einer Stunde lang geübt würden. Das klang alles interessant, aber leider konnten die Ulis sich nicht dazu aufraffen.

Stattdessen besuchten sie weiter Breitensportkurse bei verschiedenen Trainern und auch in verschiedenen Vereinen. Allzu viel lernten sie auch dabei nicht —  aber immerhin bekamen sie einen guten Eindruck vom deutschen Vereinsleben. Eingetragene Vereine haben ja einen Vorstand und einen Vorsitzenden, der sich  manchmal auch Präsident nennt. Diesen Funktionärsposten kommt offenbar besondere Bedeutung zu; ihre Besetzung unterliegt manchmal starken Fluktuationen, die das Ergebnis von mehr oder minder offen ausgetragenen Machtkämpfen sind. Aber davon bei anderer Gelegenheit ....



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