Direkt zum Hauptbereich

Das Tüpfelchen auf dem i !

„Ganz schön, aber … wo bleibt das Lächeln?“ war die Reaktion meiner Schwester auf unser Tanzvideo. Sie hatte Recht. Wir haben uns ganz auf das Tanzen konzentriert, aber das Tüpfelchen auf dem i hat gefehlt: das Lächeln. Unsere Angespanntheit hat uns davon abgehalten.  Wie oft habe ich gestaunt oder war regelrecht irritiert, wie routinierte Tanzpaare, sobald sie auf der Fläche erscheinen, das Lächeln ein- und nach dem Tanzen wieder ausschalten!  Das Lächeln gehört zum Tanzen dazu. Wir verbinden verschiedene Sportarten meist mit einer speziellen Mimik, die mit der Aktion einhergeht. Der Gewichtheber zum Beispiel hat einen zusammengekniffenen Mund, eine gerunzelte Stirn und einen angespannten Kiefer, geblähte Wangen - je nach Anstrengung. Keiner erwartet von ihm, dass er lächelt. Sollte er es doch tun, dann wäre wohl irgendetwas faul … Lächeln beim Tanzen dagegen vermittelt Leichtigkeit, Spaß und eine positive Ausstrahlung. Dem Publikum wird Freude signalisiert.  Wo ist aber...

Die Letzten werden die Ersten sein!

 



Die Letzten werden die Ersten sein!

Steht im Neuen Testament.

 Ein Hoffnungsschimmer für Loser? 

Leider nicht für Turniertänzer. Denn hier gilt: Die Letzten, also die Paare mit der niedrigsten Platzierung, werden bei der Siegerehrung als Erste aufgerufen, sobald die Ergebnisse verkündet werden.

Ein kleines Drama spielt sich ab: 

"Den sechsten Platz hat sich ertanzt - das Paar mit der Startnummer sowieso vom Tanzverein X  aus Y". Ich stehe neben der aufgerufenen Tänzerin, die sich von der Tanzfläche gerade abgewandt hat, sie kämpft mit den Tränen - Enttäuschung pur!  Sie ringt um Contenance: jetzt bloß nicht heulen! bloß nicht das Make-up ruinieren! Kopf hoch! Stärke zeigen! 

Mit Schwung, als hätte sie diesem Moment entgegengefiebert, dreht sie sich um. In ihren Augen glitzern Tränen – jetzt Tränen der Freude! Gemeinsam mit ihrem Partner eilt sie beschwingt auf die Tanzfläche. Dort erhalten sie die Urkunde. Das Publikum und die anderen Paare klatschen begeistert.

Manchmal habe ich den Verdacht, dass bei den anderen Paaren auch Erleichterung mitschwingt -schließlich wurden sie nicht als Erste aufgerufen. Und ist der eigene Erfolg nicht noch größer, wenn man ein starkes Paar hinter sich gelassen hat?

Wir kennen diese (An)spannung. Anders als bei der seltenen offenen Wertung - die Bewertungen werden nach jedem Tanz öffentlich angezeigt - bleibt bei der geschlossenen Wertung bis zum Schluss unklar, wie gut man wirklich abgeschnitten hat. Man muss also immer mit dem Schlimmsten rechnen: als „Erste“ aufgerufen zu werden. Tapfer bleiben und sich die Enttäuschung nicht anmerken lassen - das ist die Devise.

Später, wenn man dann die Einzelwertungen einsehen kann, tröstet man sich vielleicht damit, dass man ja gar nicht so schlecht war - manche Wertungsrichter hätten einen auf einem besseren Platz gesehen. Damit konnten wir meist ganz gut leben beziehungsweise tanzen. 

Doch welche Erleichterung, wenn eine andere Startnummer aufgerufen wird! Dann kennt unser Applaus für das aufgerufene Paar keine Grenzen.

Kommentare

  1. Sehr treffend, diese Situation kennen wir bestens 🙈. Die Devise heißt nicht aufgeben, auch wenn es bisweilen scher fällt, sich wieder zu motivieren. Bei eurem Bild sieht es aber eher nach letztem Aufruf aus 👍. Danke für euren Block

    AntwortenLöschen
  2. Dieses Belohnungssystem, dass Schwächere z.B. Sportler zuerst aufgerufen werden und die Besten am Schluss gibt es natürlich überall. Ich glaube der Sinn dahinter ist, dass man ihre Leistung nicht vergessen und eben auch entsprechend würdigen will. Ruft man die Sieger zuerst auf geht danach die Würdigung der Schwächeren im Jubel der Sieger unter. Das Verlieren können ist eben auch eine Stärke.

    AntwortenLöschen
  3. Ach, was waren das für qualvolle Momente, wenn früher Lehrer in schwarzer-Pädagogik-Manier Klassenarbeiten in der Reihenfolge der Noten von "sehr gut" bis "ungenügend" herausgaben. Da saß man nun und war womöglich bei "ausreichend" immer noch nicht dabei ...
    Da erscheint mir die Wertungspraxis in der Welt des Turniertanzes geradezu human, zumindest, was die qualvolle Wartezeit betrifft. Wenigstens hat man es schneller hinter sich. Und, wenn ich die Schilderung der Autoren des Blogs richtig verstanden habe, ist dem zuerst aufgerufenen Paar auch wohlwollender Applaus sicher, weiß doch jede/r, wie es sich anfühlt ...
    So befördert die Wertungspraxis zudem die Solidarität unter den Tänzern. Bezüglich des Fotos der beiden Autoren kann ich mich nur dem ersten Kommentar anschließen: in jenem Turnier war die Schmach des Erstaufrufs sicher nicht ihr Problem!

    AntwortenLöschen
  4. Kommt mur sehr bekannt vor. In Bad Bevensen hattet ihr zum Glück dieses Schicksal nicht ubd wie auch nicht.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tanzkleid - voll bekifft

  Es gibt bei den Turniertänzern vier Leistungsklassen. Jedes Paar beginnt in der niedrigsten Leistungsklasse, der D-Klasse. Durch das Erreichen von Platzierungen und Punkten bei Turnieren kann man in höhere Klassen aufsteigen: C-, B-, A- und schließlich die höchste Klasse, die Sonderklasse (S-Klasse).   Der Aufstieg von D nach C ist von besonderer Bedeutung. In der D-Klasse ist nämlich nur Trainings- oder Alltagskleidung ohne Schmuck, Applikationen und Zierrat erlaubt , damit bei der Bewertung der Fokus auf der tänzerischen Leistung und nicht auf der äußeren Erscheinung liegt.  Ab Klasse C dürfen die Damen aber richtige Tanzkleider mit allem Pipapo tragen. Ein unheimlicher Ansporn für viele, diesen Status zu erreichen: „Dafür tanzen wir doch!“ Das gilt nicht für mich. Diese Beförderung war mir eher ein Dorn im Auge. Ich fühlte mich in den - in meinen Augen - oft kitschigen Outfits alles andere als wohl. Hatte auch Angst, dass ich tänzerisch nicht halten konnte, was...

Wertungsrichter hinter Gittern

Mein Blick ist vom Vorüberziehn der Tänzer  So müd geworden, dass er nichts mehr hält.  Mir ist, als gäb es nur die tausend Tänzer  Und hinter tausend Tänzern keine Welt.  I hr immer gleicher Gang der Schritte  Die sich in immer gleichen Kreisen drehn! Ihr steter Kampf, die stille Bitte:  I ch möchte auf dem Treppchen stehn!  Da schiebt sich vor meine Brille - zum Glück -   Ein Paar - das tanzt, als wäre es ganz allein,  Als gäb es nur den einen Augenblick  Ich bin entzückt! So soll es sein! Bei dem Versuch, mich in Wertungsrichter hineinzuversetzen, fiel mir Rilkes Gedicht "Der Panther"* ein. Geht es ihnen so wie dem Panther hinter seinen "Stäben" bzw. seinem Gitter? Es ist tatsächlich schwer zu erraten, was in ihnen vor sich geht. Sie stehen meist unauffällig und quasi teilnahmslos am Rande der Tanzfläche. Ihrem Pokerface ist kaum zu entnehmen, wohin sie gerade blicken, was sie denken, fühlen. Abgestumpft von immer gleichen oder ähnli...