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Das Tüpfelchen auf dem i !

„Ganz schön, aber … wo bleibt das Lächeln?“ war die Reaktion meiner Schwester auf unser Tanzvideo. Sie hatte Recht. Wir haben uns ganz auf das Tanzen konzentriert, aber das Tüpfelchen auf dem i hat gefehlt: das Lächeln. Unsere Angespanntheit hat uns davon abgehalten.  Wie oft habe ich gestaunt oder war regelrecht irritiert, wie routinierte Tanzpaare, sobald sie auf der Fläche erscheinen, das Lächeln ein- und nach dem Tanzen wieder ausschalten!  Das Lächeln gehört zum Tanzen dazu. Wir verbinden verschiedene Sportarten meist mit einer speziellen Mimik, die mit der Aktion einhergeht. Der Gewichtheber zum Beispiel hat einen zusammengekniffenen Mund, eine gerunzelte Stirn und einen angespannten Kiefer, geblähte Wangen - je nach Anstrengung. Keiner erwartet von ihm, dass er lächelt. Sollte er es doch tun, dann wäre wohl irgendetwas faul … Lächeln beim Tanzen dagegen vermittelt Leichtigkeit, Spaß und eine positive Ausstrahlung. Dem Publikum wird Freude signalisiert.  Wo ist aber...

Halber Kugelmensch?

 


Ich tanze mit meinem Partner Standard. - Ja, toll, ich würde auch gerne, aber mein Mann oder - seltener - meine Frau ist so ein Tanzmuffel. Immer wieder hört man diese Klage. Es gibt noch andere Hürden für den Paartanz: Alter, Größe, Zeit, Vorkenntnisse, Chemie und vieles mehr.   

Die Lösung?  Solo-Tanz!

Lateintänze werden weitgehend ohne Körperkontakt getanzt, sind für Solisten also unproblematischer als Standardtänze. Letztere setzen voraus, dass Tanzpartner körperlich verbunden bleiben, über Kontaktstellen Impulse geben, tänzerisch kommunizieren. Wie soll da Solo-Tanz funktionieren?

Solo-Training ist auch für Standard-Tanzpaare eine wichtige Ergänzung. Übungshalber löst man sich vom Partner, der einen vielleicht „mitzieht“ oder unbewusst behindert. So kann man gezielt an der eigenen Körperhaltung, Balance und Fußarbeit feilen.  

Dient Solo-Training also nur der Optimierung des Paartanzes? Sind Solotänzerinnen und Solotänzer  nur „partnerlose Wesen“ – halbe Kugelmenschen*? Im Italienischen bedeutet „solo“ allein, einsam, bloß oder nur – ebenso wie das französische „seul“. Ist  Solotanz deshalb eine Notlösung für bedauernswerte Zweibeiner, die verzweifelt nach ihrer Ergänzung suchen? Etwas Negatives?

Weit gefehlt! Erst kürzlich bewunderten wir bei einem Turnier fünf Damen auf der Tanzfläche, die – schmetterlingsgleich anmutig und mit großer Selbstsicherheit – aneinander vorbeischwebten.  Souverän und beschwingt wirbelten sie über die Tanzfläche. Da war für Mitleid kein Platz. Viel eher erwachte ein gewisser Neid auf ihre Unabhängigkeit.

Im Gespräch mit einigen von ihnen bestätigte sich unsere Wahrnehmung: Sie genießen die Freiheit, allein aufzutreten. Und so nebenbei schonen sie Schuhe und Zehen und ihre Nerven - denn der Partner oder die Partnerin kann auch ganz schön stressen. 

Natürlich gibt es Einschränkungen: Anders als im Paar hat man keine Augen im Rücken. Doch irgendwie entwickelt sich ein eigenes Ortungssystem, das den Raum weitgehend sicher erfassen lässt. 

Fazit: Solo-Tänze sind eigenständige und vollwertige Darbietungen. 

Und sollte sich doch einmal der Traumpartner auf die Tanzfläche verirren – umso besser: Dann bist du optimal vorbereitet!


* siehe Blog vom 19. April 2025

Kommentare

  1. Ihr habt einen wichtigen Punkt angesprochen. Alleine tanzen lässt dich viel leichter und inniger mit der Musik mitgehen. Du kannst dich nur auf dich und die Musik konzentrieren. Und musst vorallem als Frau nicht erahnen und nachdenken, was jetzt der Partner macht . Bei einem alten Paar, das nur einen Schritt kennt und kann ist das natürlich ähnlich leicht.

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