Sie hatte Recht. Wir haben uns ganz auf das Tanzen konzentriert, aber das Tüpfelchen auf dem i hat gefehlt: das Lächeln. Unsere Angespanntheit hat uns davon abgehalten.
Wie oft habe ich gestaunt oder war regelrecht irritiert, wie routinierte Tanzpaare, sobald sie auf der Fläche erscheinen, das Lächeln ein- und nach dem Tanzen wieder ausschalten!
Das Lächeln gehört zum Tanzen dazu. Wir verbinden verschiedene Sportarten meist mit einer speziellen Mimik, die mit der Aktion einhergeht. Der Gewichtheber zum Beispiel hat einen zusammengekniffenen Mund, eine gerunzelte Stirn und einen angespannten Kiefer, geblähte Wangen - je nach Anstrengung. Keiner erwartet von ihm, dass er lächelt. Sollte er es doch tun, dann wäre wohl irgendetwas faul …
Lächeln beim Tanzen dagegen vermittelt Leichtigkeit, Spaß und eine positive Ausstrahlung. Dem Publikum wird Freude signalisiert.
Wo ist aber die Grenze zwischen echtem Lächeln als Ausdruck von Freude und dem mechanischen Verziehen von Gesichtsmuskeln zum Foto-Cheese, einer hohlen Fratze?
Schon vor 200 Jahren hatte das mechanische Tänzerlächeln keinen guten Ruf. Balzac spottete: „Dieser Edelmann war einer der kleinen Geister“, um angenehm zu wirken, war „das Lächeln eines Tänzers seine einzige Sprache. Ob er zufrieden oder unzufrieden war, er lächelte.“ *
Woran erkennt man das falsche Tänzerlächeln? Es lebt nicht, ihm fehlt der Bezug zur Empfindung, wir fühlen uns getäuscht. Nur wenn Empfindung und Mimik kooperieren, wirkt das Lächeln glaubwürdig.
Dann bleibt uns Tänzern nichts anderes übrig, als Empfindung und Mimik zu synchronisieren. Aber wie, wenn man tänzerisch noch nicht so weit ist, dass das Tanzen allein einen zum Lächeln bringt?
Eine Möglichkeit wäre, andere emotionale Verknüpfungen herzustellen, z. B. angenehme Erinnerungen oder humorvolle Gedanken aktivieren, um dem Lächeln Stoff zu geben.
Ich persönlich werde in Zukunft an meine Schwester denken und ihr das eingeforderte Lächeln widmen, bis Tanzen und Lächeln ohne Umwege eine Beziehung eingehen. Da hat wohl jeder Tänzer so seine eigene Methode.
* "Verlorene Illusionen" Balzac (1837 - 1843)
Das sind die Sportarten, die von außen beurteilt werden, wie Eiskunstlaufen, Bodenturnen oder Akrobatik. Alles muss leicht wirken ,obwohl höchste Konzentration und Anstrengung gefordert ist.
AntwortenLöschenWobei die Frauen immer mehr zu lächeln haben als die Männer. (Besonders beim Schlittschuh laufen)
Man stelle sich das mal beim 100 Meterlauf oder Boxen vor.
Liebe Uli, Du sprichst mir mit der Beschreibung eines erzwungenen Lächelns aus der Seele. Ich habe als absoluter Naturmensch einen untrüglichen Riecher für das Fehlen von Authentizität. Und wenn ein Lächeln zu sehr aufgesetzt ist, wirkt es auf mich eher abstoßend.
AntwortenLöschenNun, zum Turniertanz gehört natürlich auch ein wenig Show, zumindest kann es als "Tüpfelchen auf dem i" nicht schaden.
Selbstkritische Menschen haben es hier etwas schwerer, die Hürde zur Leichtigkeit zu überwinden. Aber auch dann ist es noch unglaublich schwierig, einsatzgerecht ein fröhliches Gesicht zu präsentieren. Vielleicht sollte man hierzu Julia Roberts befragen?
Aber die Idee, Dir Deine Schwester ins Gedächtnis zu rufen, finde ich wunderbar und dürfte im hier und jetzt hilfreicher sein.